NULLUM OPUS EXSURGIT QUOD NON ANNOSA VETUSTAS EXPUGNET QUOD NON VERTAT INIQUA DIES
Rabanus Maurus
Ausschnitt aus:
Hrabanus Maurus,
De rerum naturis
Mittelalterliche Schreiberszene:
Schreiber mit
Gänsefeder und zwei Tintenhörnchen.
Süddeutschland, 1425
Hrabanus Maurus,
beim Überreichen seines Bildgedichtes zum Lob
des Hl. Kreuzes an
Papst Gregor IV.
Miniatur in einer überarbeiteten Ausgabe
des Werkes. Handschrift
der Fuldaer Schule,
nach 831.
Wien,
Österreichische Nationalbibliothek
Zimelien aus der Kurpfalz und Italien
Hrabanus Maurus, "De rerum naturis - eine Prachthandschrift für Kurfürst - Ludwig III.
Süddeutschland, 1425 Pergament, 274 Bil.,-26,5 x 35 cm, zweispaltiger Text in gotischer Minuskel, zahlreiche Miniaturen
Cod. Pal. Lat. 291
Abb. von fol. l', 2', 43'im Bildband
Die Bilderhandschrift Pal. Lat. 291 bietet neben dem Codex 132 der Bibliothek von Montecassino die vollständigste Überlieferung für Text und Miniaturen zu Hrabanus Maurus' großer Enzyklopädie De rerum naturis. Das Fehlen weiterer älterer, vollständig illustrierter Handschriften des Werks macht die spätmittelalterliche Palatinahandschrift zu einer erstrangigen Quelle für eine ansonsten nur lückenhaft greifbare Bildtradition. Inwieweit karolingische oder hochmittelalterliche Vorlagen direkt für die Illuminierung des Palatinus herangezogen wurden, lässt sich nicht bestimmen. jedoch erweist der Vergleich mit dem ins 11. Jahrhundert zu datierenden Codex aus Montecassino, daß für die Illustration der Enzyklopädie des Hrabanus Maurus ein festgefügter Kanon ikonographischer Bildmuster vorlag.
Der Text der Enzyklopädie breitet, auf 22 Bücher verteilt, das gesamte heilsgeschichtliche und naturhistorische Wissen seiner Zeit aus. Die literarische Leistung Hrabanus Maurus' besteht in erster Linie in seiner Auswahl und Kompilation aus verschiedenen Quellen. Die locker in den Text eingestreuten Illustrationen des Palatinus spiegeln die ganze (spät-) mittelalterliche Vorstellungswelt: Wir sehen Gottvater, Jesus Christus und den Heiligen Geist samt den himmlischen Heerscharen, Pharao und Joseph, die Propheten und Evangelisten, Märtyrer und Mönche, Juden, Häretiker, Heiden, erblicken Kirchen und Synagogen, Städte, Burgen, Wohn- und Vorratshäuser, Kloaken und Badestuben, Bibliotheken und Wirtshäuser, die heidnischen Gottheiten der Antike marschieren auf und der Teufel, wie ihn sich der Christ des Mittelalters dachte, Menschen verschiedenen Alters und in verschiedenen Lebenslagen, Wunderwesen, Tiere und Pflanzen mannigfacher Art, die Gestirne, Naturerscheinungen wie Gewitter, Hagelschauer, Regen, Eis und Schnee, menschliche Beschäftigungen und Betätigungen, ernsthafte Kämpfe und Kampfspiele, Belustigungen, Waffen, Trinkgefäße, Geräte verschiedener Form und Bestimmung usw. (P. Lehmann).
Fol. l' der Handschrift (Abb. im Bildband) zeigt die Miniatur der sitzenden Gottesmutter und des Jesuskindes, vor der ein betender Adeliger niederkniet, begleitet von einem stehenden Schutzheiligen. In der Mitte vor dem Anbetenden befindet sich das kurpfälzische Wappen. Da die Handschrift im Kolophon auf das Jahr 1425 datiert ist, handelt es sich bei dem Bildnis des Stifters sehr wahrscheinlich um den Pfalzgrafen Ludwig 111. Den ihn empfehlenden Heiligen identifiziert L. von Wilckens aufgrund seines Atributs (weißes Kreuz auf rotem Grund) als den Heiligen Georg und nicht als den eher zu erwartenden Namenspatron des Kurfürsten Ludwig. Die Handschrift entstand wohl im Auftrag Ludwigs III. für seine private Bibliothek; in der Liste der von Ludwig III. der Universität Heidelberg testamentarisch vermachten Bücher von 1438 ist die Hrabanus Maurus Handschrift nicht verzeichnet. Ein Eintrag auf einem vorgehefteten Blatt zeigt, daß das Buch weiterhin in den Händen der Herrscherfamilie verblieb: Dis buch gehortt zw dem durchluchtigsten cürfürsten pfalzgraven Ludwigen etc, und ist anno XVIII hernn Philippen, bischoven zw Freisingen und Numborg etc., pfaltzgraven etc., seinerfürstlichen Gnaden bruder, gelichen worden. Demnach stellte der Wittelsbacher Kurfürst Ludwig V. (1508-1544) 1518 den Codex seinem Bruder Philipp, dem Fürstbischof von Freising zur Verfügung.
Nach dem dreispaltigen Inhaltsverzeichnis beginnt der in zwei Spalten geschriebene- Text auf fol. 2v (Abb. im Bildband). Es ist dies die einzige Seite der Handschrift, die mit floralen Rankenornamenten ausgestattet ist. Eine Miniatur am Anfang der linken Spalte zeigt den thronenden Gottvater, von vier musizierenden- Engeln umgeben. Darunter erscheint eine goldene Initiale A, die mit einer Miniatur - zwei Engel präsentieren ein Buch -gefüllt ist.
E. Panofsky charakterisierte die Illuminierung der Handschrift als eine charmingly, provincial version of what -is now generally called the >International Style Of around 1400e. Die opulente Ausstattung der Handschrift setzt bei ihrer Fülle von Miniaturen ein hochgradig arbeitsteilig organisiertes Atelier voraus. L. von Wilckens unterscheidet insgesamt zehn Hände, die an den Miniaturen mitgewirkt haben sollen.
Für die von L. von Wilckens vorgeschlagene Lokalisierung der Werkstatt nach Heidelberg sprechen nur spärliche Argumente. Die stilistisch vergleichbaren Miniaturen des Cod. Pal. Lat. 411 stammen aus einer Handschrift, die nachweislich in Amberg, der zweiten kurpfälzischen Residenz im 14. und 15. Jahrhundert, geschrieben wurde. Wenn die Identifizierung des Schutzheiligen auf der Miniatur der Eingangsseite mit dem heiligen Georg zuträfe, könnte dies als weiterer Hinweis auf eine mögliche Entstehung der Handschrift in der oberpfälzischen Stadt Amberg, deren Patron der heilige Georg ist, verstanden werden.
Migne, PL 111, Sp. 1-614. - M. Reuter, Text und Bild im Codex 132 der Bibliothek von Montecassino »Liber Rabani de originibus rerum«, München 1984. - L. von Wilckens, Buchmalerei um 1410-40 in Heidelberg und in der Kurpfalz, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1980, S. 30-47. - D. 0. Le Berrurier, The Pictorial Sources of Mythological and Sclentific Illustrations in Hrabanus Maurus' De rerum naturis, New York u. London 1978. - D. 0. Le Berrurier, Un fragment inedit d'un copie du XIV' siecle de l'encyclopedie de Raban Maur, in: Cahlers Archeologiques, Bd. 22 (1972) S. 47-54. - E. Heyse, Hrabanus Maurus'Enzyklopädie »De rerum naturis«: Untersuchungen zu den Quellen und zur Methode der Kompilation, München 1969. - E. Panofsky, Hercules Agricola: A Further Compilation in the Problem of the Illustrated Hrabanus Manuscripts, in: Essays in the History of Art Presented to Rudolf Wittko",er, New York 1967, S. 20-28. - P. Lehmann, Fuldaer Studien II, Illustrierte Hrabanus-codices, in: Sb. der philosophisch-philologischen und der historischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München 1927, München 1927, S. 13-47 - Stevenson Cod. Lat., S. 74.
Hrabanus Maurus
De rerum naturis,
Amberg (?),1425
Cod. Pal. Lat. 291, Fol. 2 v
Hrabanus Maurus
De rerum naturis,
Amberg (?),1425
Cod. Pal. Lat. 291, Fol. 43 r
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